Was bedeutet eigentlich ... Hannoversche Allgemeine Zeitung 24.02.2001 Autor Michael Stein Kündigungsschutz? (Teil 1)
Überraschend erhält der 53-jährige Angestellte Paul Schneider am 15. Januar 2001 die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2001. Schneider will sich gegen die Kündigung wehren. Was kann er unternehmen? Welche tatsächlichen Folgen, welche Risiken sind für ihn und für seinen Arbeitgeber, Karl Krüger, zu bedenken? Schneider kann versuchen, Krüger außergerichtlich zur Rücknahme der Kündigung zu bewegen. Er kann versuchen, mit Krüger eine Vereinbarung über die Folgen der Beendigung zu treffen, beispielsweise die Zahlung einer Abfindung. Kommt es nicht zu einer außergerichtlichen schriftlichen Vereinbarung, bleibt Schneider der Weg zum Arbeitsgericht.
Ausgangspunkt dort ist die Rechtslage: Welche Art von Kündigungsschutz hat Schneider? Was folgt aus dem jeweiligen Schutz? Das gesetzliche Schriftformerfordernis wurde beachtet: Die Kündigung ist schriftlich eingegangen. Schneider ist seit zwölf Jahren bei Krüger. Fünf Monate zum Monatsende Kündigungsfrist hätte Krüger nach Paragraph 633 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beachten müssen. Der Verstoß gegen die gesetzliche Kündigungsfrist führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Wenn Schneider sich auf die längere Kündigungsfrist beruft, dauert das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten bis zum 30. Juni 2001. Akzeptiert Krüger dies nicht, muß Schneider ihn verklagen. Klagt er, droht Krüger schwerer Schaden: Ohne daß Schneider tatsächlich dafür gearbeitet hat, muß Krüger gegebenenfalls das volle monatliche Bruttogehalt für die gesamte Zeit zahlen. Ein Betriebsrat ist bei der Firma Krüger nicht vorhanden. Schneider kann sich daher nicht darauf berufen, daß die Kündigung mangels ausreichender Information der Arbeitnehmervertretung unwirksam ist (Kündigungsschutz aus dem Betriebsverfassungsgesetz). Da er auch nicht schwerbehindert ist, greift der Kündigungsschutz nach dem Schwerbehindertengesetz ebenfalls nicht. Schneider ist länger als 6 Monate in dem Betrieb von Krüger beschäftigt, in dem mehr als fünf Mitarbeiter tätig sind. Die beiden Voraussetzungen liegen somit vor: Er kann schweres Geschütz gegen die Kündigung auffahren - das Kündigungsschutzgesetz (KSchG)- Das KSchG läßt nur “sozial gerechtfertigte” Kündigungen des Arbeitgebers zu. Andere Kündigungen erklärt das Gesetz für unwirksam. Drei Wochen nach Erhalt der Kündigung verliert das KSchG seine Wirkung und Schneider dessen Schutz. Durch eine Klage an das Arbeitsgericht innerhalb der drei Wochen wahrt Schneider aber seine Rechte. Drei Möglichkeiten gibt das KSchG dem Arbeitgeber, die Kündigung Schneiders zu begründen: in der Person Schneiders (so genannte personenbedingte Kündigung) oder in seinem Verhalten liegende Gründe (verhaltensbedingte Kündigung) sowie Gründe aus der betrieblichen Sphäre (betriebsbedingte Kündigung). Der Arbeitgeber muß den Arbeitsrichter davon überzeugen, daß einer dieser Gründe im gesetzlich ausreichendem Maße gegeben ist. Krüger muß wahrheitsgemäß ein Geschehen schildern, aus dem sich der rechtliche Kündigungsgrund ergibt. Bestreitet Schneider die Wahrheit dieser Schilderung, beachtet das Gericht Krügers Darstellung nur, wenn er sie beispielsweise durch Zeugen beweisen kann (prozessuale Wahrheit). Beweis des Arbeitgebers, daß einer der drei gesetzlichen Kündigungsgründe auch in Zukunft nachhaltig das Arbeitsverhältnis “stören” wird, gewinnt Krüger den Prozeß. Der Arbeitsrichter trifft also eine Prognose über die Zukunft der künftigen Entwicklung des Arbeitsvertrages. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung geht es nicht um die Bestrafung des Arbeitnehmers für ein Fehlverhalten. Bei einer derartigen Kündigung prüft der Arbeitsrichter, ob die Vertragsverletzung des Arbeitnehmers den Schluß erlaubt, er werde auch zukünftig solches Verhalten wiederholen. Kündigt Krüger Schneider beispielsweise wegen ständiger Unpünktlichkeit, muß er die Gefahr der Wiederholung derartigen Verhaltens darlegen und gegebenenfalls beweisen. Das Bundesarbeitsgericht akzeptiert verhaltensbedingte Kündigungen - bis auf sehr wenige Ausnahmen - nur, wenn der Arbeitnehmer vorher ausreichend abgemahnt wurde. Krüger hat nur Aussicht auf Prozeßgewinn, wenn er seinen Arbeitnehmer wegen dessen Unpünktlichkeit - beweisbar - Abmahnungen erteilt hat. Daß Schneider wiederholt unpünktlich war, genügt allein nicht. Mit den Abmahnungen muß Krüger deutlich gemacht haben, daß er das Verhalten Schneiders als Vertragsverletzung ansieht, die er nicht hinzunehmen bereit ist. Damit die Abmahnungen vom Arbeitsrichter rechtlich akzeptiert werden, muß Krüger seinem Arbeitnehmer für den Fall erneuter Unpünktlichkeit die Kündigung zusätzlich ausdrücklich angedroht haben.
Fortsetzung siehe “Kündigungsschutz Teil 2”
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